VP23: Biodiversität von Insekten und Spinnen in NOcsPS-Anbausystemen

Kurz erklärt

Was?

Wir bewerten die Artenvielfalt von Insekten und Spinnen in den NOcsPS-Anbausystemen und vergleichen sie mit konventionellen und ökologischen Anbausystemen.

Warum?

Die landwirtschaftliche Intensivierung ist ein maßgeblicher Treiber des dramatischen Rückganges der Biodiversität unserer Agrarlandschaften. Während der ökologische Landbau im Mittel 34% mehr Tier- und Pflanzenarten als die konventionelle Landwirtschaft aufweist sind die Erträge oft um 50% reduziert. NOcsPS Anbausysteme, welche auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz verzichten aber vermutlich deutlich geringere Ertragseinbußen als der ökologische Landbau aufweisen, könnten dieses Dilemma lösen, und eine biodiversitätsfreundliche und gleichzeitig ertragreiche Landwirtschaft ermöglichen. Jedoch ist unser Wissen zur Biodiversität von NOcsPS-Anbausystemen noch lückenhaft.

Wie?

Wir werden im Mai, Juni und Juli 2022 in allen 168 Parzellen Insekten und Spinnentiere mit standardisierten Fallen erfasst. Die gefangenen Individuen werden im Labor identifiziert. Anschließend wird mit statistischen Analysen ermittelt, wie sich die Bewirtschaftung der Parzellen (NOcsPS, konventionell, ökologisch), sowie die Artidentität der verwendeten Nutzpflanzen und Länge der auf die Artenvielfalt und die Zusammensetzung der Insekten- und Spinnengemeinschaften auswirken. Diese Analysen ermöglichen es, den Wert von NOcsPS-Anbausystemen für den Biodiversitätsschutz in Agrarlandschaften zu ermitteln, und zu gängigen konventionellen und ökologischen Anbauverfahren in Relation zu setzen. Im Folgejahr werden bestehende Proben aus VP13 zur Insektenvielfalt von 50 Ackerschlägen landwirtschaftlicher Betriebe mit NOcsPS-Anbausystemen (KraichgauKorn) hinsichtlich ihrer Artenvielfalt untersucht. Die gewonnenen Daten fließen in die räumlich-zeitliche Modellierung von VP13 ein, und liefern so Ergebnisse zum Verständnis.

 

 

Fg. Ökologie Tropischer Agrarsysteme (490f)

Garbenstr. 13
70599 Stuttgart

Dauer:
01.01.2022 – 30.11.2023
Prof. Dr. Ingo Graß
Teilprojekt Leiter

Prof. Dr. Ingo Graß


Der dramatische und anhaltende Verlust der Biodiversität in unseren Agrarlandschaften wird größtenteils durch die intensive konventionelle Landwirtschaft mit ihren eintönigen Fruchtfolgen und dem intensiven Einsatz chemisch synthetischer Pflanzenschutzmittel (csPSM) verursacht. Vergleichend weißt der ökologische Landbau im Mittel eine 34% höhere Artenvielfalt auf, jedoch sind die Erträge von Ökogetreide um bis zu 50% reduziert (Tscharntke et al., 2021). Folglich bestehen erhebliche Zweifel, ob eine umfassende Umstellung der konventionellen Landwirtschaft auf Ökolandbau realistisch und wünschenswert ist. NOcsPS Anbausysteme, welche auf csPSM verzichten aber vermutlich deutlich geringere Ertragseinbußen aufweisen, könnten dieses Dilemma lösen, und eine biodiversitätsfreundliche und gleichzeitig ertragreiche Landwirtschaft ermöglich. Eine Besonderheit der NOcsPS Anbausysteme sind ihre weiten, resilienten Fruchtfolgen, die neben Getreide und Mais auch Eiweißpflanzen, Kleegras und Zwischenfrüchte integrieren. Derartig diversifizierte Fruchtfolgen könnten eine erhebliche Steigerung der Biodiversität assoziierter wildlebender Tier- und Pflanzenarten erwirken, insbesondere in Kombination mit einem Verzicht auf csPSM. Dieses Biodiversitätspotential wird jedoch derzeit nur exemplarisch im Forschungsverbund untersucht. Laufende Untersuchungen fokussieren auf wenige, ausgewählte Organismengruppen, wie Boden(mikro)organismen (VP5), Pflanzenpathogene (VP9, VP10), räuberische Fliegen (VP11) und Blattläuse und Schlupfwespen (VP13). Hingegen findet die überaus artenreiche Gruppe der bodenlebenden Arthropoden, welche u.a. die ökologisch bedeutsamen Laufkäfer, Kurzflügelkäfer und Spinnentiere umfasst, bisher keine Berücksichtigung. Die meisten bodenlebende Arthropoden sind räuberisch, wodurch ihnen mit ihrer zu fliegenden Antagonisten komplementären Lebensweise eine große Bedeutung in der natürlichen Schädlingsbekämpfung zukommt (Thies et al., 2011; Dainese et al., 2017). Erschwerend hinzu kommt, dass die aktuellen Untersuchungen zur Insektenvielfalt vor allem auf Blattläuse und ihre Antagonisten abzielen (VP13). Die entsprechenden Aufnahmen finden ausschließlich auf Parzellen und Feldern mit Winterweizen statt, und ein Großteil der Fruchtglieder wird nicht berücksichtigt. Dies ist problematisch, da die Artidentität der Nutzpflanze – sowohl im Aufnahmejahr als auch in vorgehenden Fruchtgliedern – maßgeblich die Vielfalt und Komposition der assoziierten Insektengemeinschaften bedingt (Meyer et al., 2019). Eine Erfassung der Biodiversität aller Fruchtglieder ist deshalb erforderlich um das Biodiversitätspotential von NOcsPS Anbausystemen ganzheitlich zu erfassen. Die meisten mit Agrarsystemen assoziierten Arten benötigen unterschiedliche Ressourcen und Lebensräume während ihres Lebenszyklus, welche abhängig von ihrer Mobilität auf verschiedenen zeitlichen und räumlichen Skalen variieren (Grass et al., 2021). Die Effizienz von NOcsPS Anbausystemen für den Erhalt der Biodiversität hängt deshalb auch vom Landschaftskontext ab, in dem sie etabliert werden, womit landschaftsskaligen Untersuchungen eine maßgebliche Bedeutung für die großflächige Umsetzung von NOcsPS-Anbausystemen zukommt.

Ziel des Forschungsvorhabens ist es die Artenvielfalt, Abundanz und Komposition der mit den unterschiedlichen NOcsPS Anbausystemen assoziierten Insekten und Spinnentiere umfassend zu erfassen. Die hierfür durchgeführten Erhebungen sind komplementär zu bestehenden Untersuchungen (VP5, VP9, VP10, VP11, VP13) im Forschungsverbund ausgerichtet. Die erhobenen Daten haben ein umfassendes Verständnis der Effekte raumzeitlicher Ressourcendynamiken in diversifizierten Fruchtfolgen auf die Biodiversität zum Ziel. Untersuchungen von NOcsPS Anbausystemen in verschiedenen Landschaftskontexten ermöglichen zudem Vorhersagen zum Biodiversitätspotential einer großflächigen Umstellung auf eine Landwirtschaft ohne csPSM. Im Detail sollen folgende Hypothesen geprüft werden:

  • Im Vergleich zum konventionellen Anbau führen NOcsPS Anbausysteme zu einer lokal erhöhten Artenvielfalt, Abundanz und funktionellen Diversität der assoziierten Insekten und Spinnentiere.
  • Die Komposition der Artengemeinschaften wird hierbei sowohl durch Identitätseffekte der Nutzpflanzen im Aufnahmejahr als auch der vorhergehenden Fruchtglieder beeinflusst.
  • Biodiversitätseffekte von NOcsPS Anbausystemen sind zudem abhängig von (i) der Schlaggröße, (ii) der Landschaftsstruktur und (iii) der räumlich-zeitlichen Landnutzungsdynamik.

Die Untersuchungen zur Biodiversität finden auf verschiedenen räumlichen Skalen sowohl im Systemversuch auf dem Heidfeldhof der UHOH als auch in ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben und in enger Abstimmung zu laufenden Untersuchungen zu Blattläusen und ihren Antagonisten (VP13), lokalen Habitatbedingungen (VP3, VP8), dem Auftreten von Pilzpathogenen (VP9, VP10) und der Abundanz räuberischer Fliegen (VP11) statt. Im ersten Projektjahr (2022) werden im Systemversuch der UHOH vegetationsbewohnenende und fliegende Insektenarten, sowie bodenlebende Insekten und Spinnentiere, in allen Fruchtgliedern und deren Replikaten erfasst. Die Erfassung vegetationsbewohnender und fliegender Arten erfolgt mit einem Insektensauger, komplementär und mit identischer Methodik zu den Erfassungen durch VP13 im Winterweizen (56 Parzellen), in allen weiteren Fruchtgliedern (122 Parzellen). Die bodenlebenden Arthropoden werden mit Barberfallen in allen 168 Parzellen erfasst. Die taxonomische Bestimmung der zu erwartenden Artengruppen (Fliegen, Wanzen, Käfer, Schlupfwespen, Wildbienen, Spinnentiere, usw.) ist mit klassischen Methoden überaus schwierig und langwierig, und oft nur von wenigen internationalen Expert*Innen zu gewährleisten. Stattdessen werden moderne molekularbiologischen Methoden verwendet. DNA-Metabarcoding ermöglicht eine schnelle und kostengünstige Bestimmung einer großen Anzahl von Proben und spielt eine zunehmend zentrale Rolle im großflächigen Monitoring der biologischen Vielfalt von Agrarlandschaften (Yu et al., 2012; Hausmann et al., 2020). Im zweiten Projektjahr (2023) werden bestehende Proben aus VP13 zur Insektenvielfalt von 50 Schlägen in csPSM-freien Anbausystemen (KraichgauKorn), welche bisher vor allem hinsichtlich der Blattläuse ausgewertet wurden, ebenfalls mit DNA Metabarcoding auf ihre Gesamtartenvielfalt untersucht. Die gewonnenen Daten fließen in die räumlich-zeitliche Modellierung von VP13 ein, und liefern so Ergebnisse zum Verständnis wichtiger Einflussfaktoren auf die Biodiversität von NOcsPS Anbausystemen auf unterschiedlichen Skalen. Zusätzlich zur Analyse dieser bestehenden Proben sind Pilotuntersuchungen zur Biodiversität großskaliger csPSM-freier Agrarlandschaften geplant. In landwirtschaftlichen Betrieben der Denree GmbH in Ostdeutschland (z.B. Hofgut Eichigt, 4000 ha) werden Insekten und Spinnentiere großskalig erfasst, und Effekte einer landschaftsweiten Umstellung auf csPSM-freie Landwirtschaft quantifiziert.